• Deutsch

Schweden & Deutschland

Das schwedische Gesetz über das Verbot des Kaufs sexueller Dienste

Schweden hat seit 1999 eine Gesetzgebung, die den Kauf sexueller Dienste unter Strafe stellt. Auch die Vermittlung solcher Dienste durch bspw. Bordelle oder Zuhälter fällt unter dieses Verbot. Der Verkauf sexueller Dienste hingegen ist nicht strafbar. Im Jahr 1999 wurde mit dieser Konstruktion Neuland betreten, seitdem haben Länder wie Norwegen, Frankreich, Kanada und Irland ebenfalls diesen Weg eingeschlagen.

Der Entscheidung Schwedens, nur den Kauf, nicht aber den Verkauf sexueller Dienste unter Strafe zu stellen, liegt eine Auffassung zugrunde, zu der die Verfasser*innen des Gesetzentwurfs gelangt waren, nachdem so gut wie alle Personen, mit denen sie im Vorfeld des Entwurfs gesprochen hatten und die sexuelle Dienste anboten, angegeben hatten, sie würden dies nicht aus freien Stücken tun, hätten sie eine Alternative. Diese Personen waren folglich keine Kriminellen, sondern Opfer. In derselben Untersuchung wurde deutlich, dass diejenigen, die Sex kauften, es als ihr Recht ansahen, ihren Bedürfnissen nachzugehen, auch wenn dadurch die Verletzbarkeit einer anderen Person ausgenutzt wird. Die Konstruktion des Gesetzes soll dieses Ungleichgewicht aufheben. Die Gesetzgebung ist aber auch das Ergebnis eines breiteren Strebens nach mehr Gleichstellung von Männern und Frauen und weniger männlicher Gewalt gegen Frauen.

Es ist unmöglich, genau zu sagen, wie groß der Anteil der Frauen und Männer ist, die aufgrund von Menschenhandel, Druck, Überredung, Bedrohung oder aus Mangel an alternativen Versorgungsmöglichkeiten in der Prostitution zu finden sind. Doch es ist eine unwidersprochene Tatsache, dass es sich um die absolute Mehrheit handelt. Die schwedische Gesetzgebung ist Ausdruck einer politischen Einigkeit in Schweden darüber, dass Prostitution in der schwedischen Gesellschaft nicht erwünscht ist. Schweden erkennt Prostitution nicht als Beruf an.

Das Strafmaß für den Kauf sexueller Dienste besteht gegenwärtig in einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Meist wird der erstmalige Verstoß gegen das Gesetz mit einem Bußgeld in Höhe von 50 Tagessätzen geahndet, bei Wiederholungstaten sind es 60 Tagessätze. Bisher ist noch niemand allein wegen des Kaufs sexueller Dienste zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, wohl aber wegen Vergewaltigung, bei der es sich beim Opfer um eine Prostituierte handelte, aber das ist ein anderer Straftatbestand. Im schwedischen Parlament spricht sich eine Mehrheit dafür aus, das Bußgeld als mögliche Strafe zu streichen. Somit würde ein Verstoß gegen das Verbot des Kaufs sexueller Dienste immer eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt jedoch noch nicht vor.

Wenn die Polizei in einer Aktion gegen Prostitution vorgeht, wird den Prostituierten auf Wunsch Hilfe zum Verlassen der Prostitution angeboten. Die schwedischen Gemeinden sind verpflichtet, diesbezüglich Hilfe anzubieten. Oft ist es erforderlich, dass Sozialarbeiter*innen die Prostituierten dazu mehrfach aufsuchen. Einem Ausstieg aus der Prostitution geht den Erfahrungen der sozialen Dienste zufolge oft eine längere Zeit der Vertrauensbildung voraus. Man ist nicht gezwungen, diese Hilfe anzunehmen und wird auch nicht bestraft, entscheidet man sich gegen sie.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat die Zustimmung der Bevölkerung schrittweise zugenommen. Heute wird das Gesetz von gut 70 Prozent der schwedischen Bevölkerung unterstützt. Mit der aus dem Gesetz resultierenden Normverschiebung ist die Nachfrage nach sexuellen Diensten gesunken. Und mit einer sinkenden Nachfrage sinkt auch die Attraktivität Schwedens bei Menschenhändlern. Interpol beschreibt Schweden als einen toten Markt. Das freut uns, denn der Menschenhandel ist eine sehr lukrative Branche mit einem jährlichen Umsatz von ca. 150 Milliarden US-Dollar. Zwei Drittel dieses Umsatzes stehen in direkter Verbindung zum Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung, und die Gewinne werden oft für andere Bereiche organisierter Kriminalität verwendet.  

Natürlich gibt es immer noch Personen, die Sex kaufen, genauso wie es Personen gibt, die Menschen misshandeln, Drogen konsumieren oder Steuern hinterziehen, all dies ebenfalls strafbare Handlungen. Das Gesetz hat nicht alle Probleme gelöst, aber wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Es passiert natürlich auch, dass vor allem schwedische Männer zum Kauf sexueller Dienste ins Ausland fahren. Der schwedische Gesetzgeber erarbeitet derzeit ein Gesetz, das es erlaubt, diese Männer strafrechtlich genauso zu verfolgen, als hätten sie sexuelle Dienste in Schweden gekauft.

Fakten und Erfahrungen

  • Die schwedische Gesetzgebung behauptet nicht, dass alle Prostituierten Opfer von Menschenhandel sind, nimmt aber auch keine Rücksicht auf Formen von Unternehmertum im Bereich sexuelle Dienste.
  • Als der Kauf sexueller Dienste in Schweden verboten wurde, halbierte sich die Straßenprostitution schnell. Anzeigen im Internet nahmen zu, was auch daran lag, dass zeitgleich mit der Einführung des Verbots das Internet an Bedeutung gewann. Verglichen mit anderen, kulturell ebenbürtigen Ländern sind in Schweden verhältnismäßig wenige Personen in der Prostitution aktiv. Laut schwedischer Polizei liegt die Zahl bei zwischen 1000 und 1500 Personen. Die meisten davon sind Frauen.
  • Nach Aussage der schwedischen Polizei ist es im Vergleich mit der Zeit vor der Einführung des Gesetzes danach nicht schwieriger geworden, Käufe sexueller Dienste aufzudecken. Kann der Käufer den Anbieter finden, kann es auch die Polizei.
  • Die Sicherheit von Frauen und Männern in der Prostitution hat sich nicht verschlechtert. Seit Inkrafttreten des Gesetzes 1999 ist bei der Polizei nicht ein einziger Bericht über schwere Gewalt gegen Prostituierte eingegangen. Es hat auch keine Morde an ihnen gegeben.
  • In Schweden wird das Gesundheitswesen über Steuermittel finanziert. Der Leistungsumfang, auf den man Anspruch hat, richtet sich danach, ob man EU-Bürger*in ist oder einem Drittstaat angehört. Prostituierte haben den gleichen Anspruch auf Leistungen des Gesundheitswesens wie alle anderen Menschen derselben Nationalität, auch wenn sie keine Steuern auf ihre eventuellen Einkünfte zahlen und ohne, dass sie eine extra Versicherung abschließen müssen.
  • Keine Prostituierte hat das Sorgerecht für ihr Kind verloren einzig und allein aus dem Grund, dass sie Sex verkauft. In den Fällen, in denen es zu einer Inobhutnahme von Kindern von Prostituierten kam, waren dafür Missbrauch, Misshandlung oder andere Faktoren ausschlaggebend.
Letzte Aktualisierung 16 Dez 2020, 10.41